was wir wollen

Agroforst in der Altmark und überall –

Wir befinden uns bereits mitten in der Klimakrise. Soll das 1,5-Grad-Ziel erreicht werden um die Krise abzumildern und das Erreichen von Kipppunkten zu verhindern, dann müssen wir sofort handeln um Klimaneutralität bis 2035 zu erreichen (das Klimaschutzpaket der Bunderegierung und Klimaneutralität bis 2050 sind nicht ausreichend, vergl. GermanZero 2020 und Wuppertal Institut 2020). Der Anteil der Landwirtschaft an den jährlichen Treibhausgasemissionen Deutschlands wird je nach Quelle mit 7,5 bis 8% angegeben. Diese sind vor allem durch Methan und Lachgas bedingt. Der Energieverbrauch für Kraftstoffe, die sehr energieintensive Herstellung von Kunstdünger und Pestiziden, Im- und Exporte von Futter- und Lebensmitteln und die Mineralisierung von organischer Substanz durch Entwässerung von Auen und Mooren und Grünlandumbruch sind hier noch gar nicht eingerechnet (vergl. Hentschel et al. 2020). Auch ist die Landwirtschaft mitverantwortlich für den massiven Rückgang der Biodiversität, die Degradation der Böden und des Grundwassers.

Auch wenn sich aufgrund von biologischen Prozessen Emissionen in der Landwirtschaft auch bei der notwendigen massiven Reduktion der Tierzahlen und Ökologisierung der Landwirtschaft nicht vollständig vermeiden lassen, können sie durch Humusaufbau, Vermeidung von Kunstdünger und die Verwendung von Pflanzenkohle (Pyrolyse) deutlich reduziert werden. Durch Humusaufbau, Kohlenstoffspeicherung in Gehölzen und Boden können CO²-Neutralität und sogar „negative Emissionen“ erreicht werden. Durch die Umstellung auf regenerative/aufbauende Bewirtschaftung und das Pflanzen von Gehölzen kann die Landwirtschaft einen Beitrag zum Klima- und zum Artenschutz leisten ohne die Ernährungssicherheit zu gefährden (u.a. Scheub und Schwarzer 2017, WBGU 2020), dabei die Ernährungsautarkie fördern und so viele CO² intensive Importe vermeiden.

Agroforstsysteme kombinieren Landwirtschaft und Forst indem Gehölze – meist in Reihen – auf landwirtschaftlich genutzte Flächen gepflanzt werden. Dabei ist die primäre landwirtschaftliche Nutzung zumeist Ackerbau oder Nutztierhaltung. Es besteht eine ökologische und ökonomische Ergänzung beider Komponenten.

Agroforstsysteme stellen eine einfache, effiziente und flexibel anzuwendende Möglichkeit dar, den zahlreichen sich verschärfenden Krisen unserer Erde – Klimakatastrophe und damit einhergehende Extremwetterereignisse, Artensterben und massiver Rückgang der Biodiversität, Ernährungskrise, Übernutzung und Zerstörung des Bodens, Wassermangel, … in der Kulturlandschaft entgegenzuwirken ohne landwirtschaftliche Nutzfläche zu verlieren. Dabei bietet die Einrichtung von Agroforstsystemen neben ökologischen Vorteilen (die sich auch in Geldwert für die Ökosystemleistungen umrechnen lassen) auch ökonomische Vorteile für den Landwirt.

  • Schutz vor Erosion und Verdunstung
  • Humusaufbau (besserer Kohlenstoff- und Wasserrückhalt, Steigerung der Bodenfruchtbarkeit)
  • bessere Evapotranspiration
  • Erhöhung der Niederschläge (lokal, ggf. auch überregional)
  • bessere Grundwasserneubildung
  • Erhöhung der Strukturvielfalt und der Biodiversität, verbesserter Biotopverbund
  • Erhöhung der Landschafsästhetik, touristischer Nutzen, Naherholung
  • Erhöhung der Ertragsstabilität und Flächenproduktivität
  • Ertragsdiversifizierung (Boden-Mehrfachnutzung)
  • neue regionale Wertschöpfungsmöglichkeiten (Beitrag zur Energie- und Lebensmittel-Autarkie)

Es ist somit unumgänglich schnellstmöglich Agroforstsysteme zu etablieren, besonders in bereits stark durch den Klimawandel beeinträchtigten Gebieten wie der Altmark.

Die Kulturlandschaft der Vergangenheit war durch Gehölzgruppen und lineare Gehölze geprägt. Gehölze wurden an Wegränder und Ufer und als Grenzen zwischen benachbarten Grundstücken gepflanzt – damals waren die Felder aber noch viel kleiner und es gab viel mehr Wege. Die Gehölze wurden intensiv genutzt – es wurden Obst und Nüsse, Feuer- und Bauholz geerntet, Laub als Futter und Einstreu, sogar als Dünger verwendet. In anderen Ländern kommt Agroforstsystemen schon immer, immer noch und schon wieder eine viel höhere Bedeutung zu, vor allem in den Tropen und Subtropen. In den letzten Jahren rückten die positiven Effekte von Agroforstsystemen auch in Europa wieder mehr in den Fokus (besonders in Frankreich wo Agroforstsysteme über die GAP gefördert werden), auch an einigen Universitäten in Deutschland wird dazu geforscht. Es entstehen laufend neue Initiativen, Unternehmen, Netzwerke und Umsetzungsprojekte. Dabei werden auf der Gehölzseite sowohl Wertholz und Kurzumtriebsplantagen als auch Nuss- und Obstgehölze angebaut. Praxisbeispiele können u.a. auf der interaktiven Karte der Internetseite agroforst-info gefunden werden (https://agroforstkarte.agroforst-info.de).

Agroforst in der Altmark

Über die Hälfte der Fläche Sachsen-Anhalts wird landwirtschaftlich genutzt, größtenteils intensiv. Die Altmark ist generell durch geringe Niederschläge geprägt, seit einigen Jahren herrscht Dürre (s. Dürreatlas UFZ). Die Böden zeichnen sich durch geringe Bodenzahlen aus, teilweise ist Sand prägend. Es ist leider absehbar, das das aktuell zu beobachtende Baumsterben weiter voranschreiten wird und in absehbarer Zeit kaum noch Wald existieren wird.

In der Altmark gehören Hecken und Streuobstbestände entlang von Straßen und Wegen aber auch auf Weiden und Äckern zum Landschaftsbild und waren in der Vergangenheit selbstverständlicher Bestandteil der Ernährungssouveränität. Das Wissen um Sorten, Pflege und Verarbeitung war weit verbreitet. Mit der Zunahme des Straßenverkehrs und der Industrialisierung der Landwirtschaft wurden Gehölzbestände zum Hindernis und vielerorts entfernt. Nach der Wende wurde Obst aus dem gewerblichen Anbau und Import-Obst aus allen Teilen der Welt immer populärer und die Nutzung der Streuobstbestände verlor stark an Bedeutung.

2008 wurde das Heft „Straße der alten Obstsorten in der Altmark“ herausgegeben (ZÖNU). Es stellt die historische Bedeutung der Obstbestände heraus, beschreibt konkrete Bestände und Einzelbäume entlang der Route und benennt die vorhandenen alten Obstsorten. Viele der beschriebenen Bestände sind heute nicht mehr erhalten, die noch bestehenden Bestände werden nicht mehr gepflegt bzw. nur von der Straßenmeisterei aufgeastet um das Lichtraumprofil zu erhalten. Bestände entlang der Feldwege werden im Rahmen der Wegebewirtschaftung mit dem Vertikalschneider verstümmelt. Von der Ackerseite her wird oft bis an das Wurzelwerk heran gepflügt und mit Ackergiften behandelt. Die Bestände sind überaltert und es verschwinden jährlich einzelne Bäume, meist ohne das Nachgepflanzt wird. Die heißen und trockenen Sommer der Jahre 2018 bis 2020 haben ihr übriges getan – die Obstbaumalleen drohen zu verschwinden und mit Ihnen die alten Sorten und die Möglichkeit der regionalen Selbstversorgung mit Obst. Die Bestände fehlen dann weiterhin als Lebensraum, Brut- und Nahrungshabitat sowie Vernetzungsstrukturen für viele Tiere und Pflanzenarten. Außerdem in Ihrer Funktion als Windschutz und damit der Verringerung von Erosion und Verdunstung. Häufig finden sich unter den Hochstämmen auch Sträucher und Stauden, teilweise artenreiches Grünland und Säume. Verschwinden diese Strukturen oder weichen artenarmen Beständen, wird die ohnehin schon strukturarme Landschaft immer leerer und immer angreifbarer für Wind, Trockenheit und Hitze.

Gehölze und ihr vielfältiger Nutzen müssen (zurück) in die Landschaft gebracht werden, als Bestandteil einer regionalen Anpassungsstrategie der Landwirtschaft an den Klimawandel und als gleichzeitiger Beitrag zum Klima- und Naturschutz.

https://agroforst-info.de/

Mit Vegetation und Böden die kleinen Wasserkreisläufe stärken und das Klima kühlen